Für deutsche Sparer gilt immer mehr Sicherheit vor Rendite bei der Geldanlage. Aktien, Fonds und strukturierte Wertpapiere haben es schwer. Österreich begibt tatsächlich eine Anleihe mit 70 Jahre Laufzeit für 1,50 Prozent jährlichem Zins.
Privatanleger fürchten nach wie vor Aktien und Finanzprodukte, die sie nicht verstehen. Festgeld, Sparbuch oder das Girokonto sind anscheinend sichere Häfen – auch wenn diese “Anlageformen” keine Renditen abwerfen. Im Gegenteil: nach einer Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) für 2016 geht hervor, das ein hohe Rendite immer weniger Interesse findet.
Das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung bei der Geldanlage ist noch einmal deutlich gestiegen. Nannten 2015 noch 50 Prozent die Sicherheit als eines der drei wichtigsten Kriterien, so entfallen 2016 sogar 57 Prozent der Nennungen darauf, gefolgt von Flexibilität (40 Prozent) und Verfügbarkeit (36 Prozent). Die Rendite liegt mit 22 Prozent (2015: 27 Prozent) nur noch auf Platz fünf.
Grund für das hohe Sicherheitsbedürfnis der Menschen seien die Auswirkungen der politischen Diskussion um eine Zwangs-Vergemeinschaftung der europäischen Einlagensicherungen. Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes:
Das hohe Sicherheitsbedürfnis der Bundesbürger zeigt sich auch in der weiter steigenden Beliebtheit der selbstgenutzten Immobilie. 59 Prozent der Befragten sprechen ihr die höchste Eignung für den Vermögensaufbau zu. Das sind noch einmal sechs Prozentpunkte mehr als 2015. Der langfristige Vergleich zeigt den Trend zur Immobilie noch deutlicher. Seit 2007 – also kurz vor Ausbruch der Finanzkrise – ist die Zahl derer, die die eigenen vier Wände zum Vermögensaufbau als geeignet bezeichnen, um über 100 Prozent gestiegen.
Weltspartag – Nullzinsen werden geduldet
Für deutlich mehr Stirnrunzeln als in den Vorjahren sorgt indessen die anhaltende Nullzinsphase. So ist für 58 Prozent der Befragten die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) das Hauptthema im Blick auf ihre Ersparnisse. Im Vorjahr nannten noch 41 Prozent die faktisch abgeschafften Zinsen als ihre größte Sorge. Mehr konsumieren wollen die Bundesbürger aufgrund des billigen Geldes dann auch wieder nicht. Der Umfrage zufolge haben nur 5 Prozent ihre privaten Ausgaben erhöht, was ein Allzeittief bedeutet. 20 Prozent haben dagegen ihren Konsum sogar eingeschränkt.
Ein jährlicher Zins von 1,50 Prozent ist dagegen heutzutage ein Wort. Wenn dieser Kupon aber mit einer Laufzeit von 70 Jahren verbunden ist, kommt ein fader Beigeschmack auf – wie bei der jüngsten Anleihe des Staates Österreich (A188ER), die am 2.11.2086 endfällig wird. Dies bedeutet die längste Laufzeit, zu der jemals eine europäische Anleihe begeben worden ist. Erst vor kurzer Zeit hat das Agieren von Österreich und dem Bundesland Kärnten bei den Anlegern ein „G’schmäckle“ hinterlassen, als man sich im Zusammenhang mit dem Heta-Streit aus der Verantwortung schleichen wollte. Und somit staunt man schon, wenn in der Zwischenzeit Kärntens Bonität wieder heraufgesetzt worden ist und die Investoren eine besondere Art der „Demenz“ haben.
An sich könnten sich die Banken über den Geldsegen freuen. Sparer lassen ihr Geld auf Tagesgeldkonten und dem Girokonto “liegen”, die EZB kauft den Banken marode Anleihen ab und flutet den Markt immer weiter mit Geld. Doch: kurzfristig bei der EZB geparktes Geld kostet für Banken weiterhin einen Strafzins von 0,4 Prozent. Und bei kurzfristigen Kapitalspritzen und sogenannten Übernachtkrediten * werden wie bisher 0,25 prozent Zinsen fällig. Außerdem sollen die monatlichen Ankäufe von Anleihen über 80 Mrd. Euro mindestens bis März 2017 fortgesetzt werden.
* Ganz kurzfristige Kredite, vor allem zwischen Banken (Geldmarktkredite), die vom Ende eines Tages bis zum Beginn des folgenden Tages vergeben werden und ohne besondere Kündigung zurückzuführen sind.
Die Geldflut hält also an und doch rührt sich das Pflänzchen Inflation kaum. Die Kreditvergabe in Euroland stagniert und das Wachstum bleibt gering. Damit wird klar, dass die EZB auch nach sieben Jahren expansiver Geldpolitik in der Eurozone an ihre Grenzen stößt.
Wenn Banken das billige Geld nicht als Kredite ausreichen, will kein Wachstumsimpuls entstehen. Dafür sorgen zum einen höhere Eigenkapitalanforderungen und zum anderen die eigene Ertragsschwäche der Banken bedingt durch die Nullzinsphase. Die Katze beißt sich also in den Schwanz. Hinzu kommen zurückhaltende Verbraucher und Unternehmen, die ihr Geld eher horten als ausgeben. Und dann wären da noch die Staaten selbst, die just aufgrund des billigen Geldes keinen Anreiz zum Sparen und zur Einleitung von Reformen haben. In einer entfernt verwandten Situation hat einmal der damalige deutsche Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller sinngemäß in den 1960er Jahren gesagt, es sei zwar angerichtet, aber die Pferde wollten nicht saufen.
(Quellen: Deutscher Sparkassen- und Giroverband / Baader Bank AG)
(Redigat: Frank Schulz)
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