Torsten Windels ist Chefvolkswirt der NORD/LB und hat in seiner Kolumne sehr interessante Perspektiven zum Thema Mittelstand und Unternehmensfinanzierung aufgezeigt. Es geht um die Beziehung zur Hausbank und um die Konkurrenz aus dem Ausland.
Was macht den deutschen Mittelstand aus? Eine eingeschränkte Kapitalmarktfähigkeit. Dies betrifft sowohl die Eigenkapitalseite (Aktie) wie auch die Fremdkapitalseite (Bonds). Diese m. E. überwiegend mentale Differenz unterscheidet den deutschen Mittelstand von vergleichbaren Segmenten im anglo-amerikanischen Raum. Grundlegend dürfte ein gewisses Misstrauen mittelständischer Unternehmer gegen Außentransparenz und Fremdbestimmung im eigenen Unternehmen durch die Kapitalmarktanforderungen sein. Hinzu kommt die Langfristigkeit, mit der der deutsche Mittelständler an Produkt-, Markt- und Kundenentwicklung herangeht. Zudem ist dieses Segment im Durchschnitt größer und internationaler als in Frankreich oder Italien. Diese Spezifika schaffen die Rahmenbedingungen für die Finanzierungsanforderungen und auch deren Institutionen. So ist der Bankkredit nach wie vor die wichtigste Außenfinanzierungsquelle. Der Kreditsektor ist in Deutschland entsprechend größer als in Großbritannien. Auch die Kreditlaufzeiten sind hier durchschnittlich länger und die Kundenbindung ist enger („Hausbank“).
Formalisierte Beziehung zur Hausbank
Doch diese Beziehung hat Risse bekommen. Bereits die Einführung von Basel II hat die Eigenkapital-bildung im Mittelstand stark beschleunigt und die Kunde-Bank-Beziehung stark formalisiert. Nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank hat sich die Eigenkapitalquote in deutschen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) von unter 10 Prozent (2000) auf fast 25 Prozent (2012) stark erhöht. Umgekehrt sank entsprechend die Kreditnachfrage. Der Unternehmenssektor in Deutschland ist seit 2001 Nettosparer (!). Die Kreditvergabe an das Verarbeitende Gewerbe sinkt in Deutschland nominal seit Mitte 1991.
Unternehmensfinanzierung – Verringerter Kapitalbedarf im Mittelstand
Daneben sind Optimierungen im Kapitaleinsatz (Leasing, Outsourcing, Logistik, flexible Arbeitszeitmodelle, Verbilligung des Kapitalstocks) zu nennen, die den Kapitalbedarf verringerten. Deutlich wird dies im realen Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen. Diese sind in Deutschland insgesamt von 1991 bis 2008 (Beginn der Finanzkrise) um 20 Prozent gestiegen, fielen in der Rezession 2009 deutlich und lagen 2013 wieder auf Vorkrisenniveau. Während sie im Bereich „Vermietung beweglicher Güter“ bis 2008 um über 150 Prozent gewachsen sind (2012: +95 Prozent), waren sie 2008 in der Industrie nur etwa auf dem realen Niveau von 1991 (2013: -3 Prozent). Überdurchschnittlich wuchsen auch die Investitionen im Bereich Verkehr und Lagerei. Nicht zuletzt waren es hohe Cash-Flows, die die deutschen Unternehmen mit ihren erfolgreichen Waren in die Lage versetzten, diese hohen Innenfinanzierungen zu realisieren.
Basel III und Konkurrenz aus dem Ausland
Nun steht mit Basel III eine neue Welle von Veränderungen in der Unternehmensfinanzierung an. Im Ergebnis werden die Beziehungen Bank-Kunde weiter formalisiert.
Fazit: das Kreditangebot steigt, die Nachfrage sinkt. So angenehm dieser Wettbewerb der Banken kurzfristig für die Firmenkunden ist, so problematisch kann der Markt nach der Rückkehr zur Normalität werden. Kürzere Laufzeiten, kleinere Abschnittsgrößen, zunehmende Kapitalmarktorientierung, Standardisierung und Spezialisierung im Kreditgeschäft dürften die mittelfristigen Folgen sein. Dies wird auch Konsequenzen für die Planungen und Investitionen im Mittelstand haben.
Zum Autor Torsten Windels: Der gebürtige Bremer studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover. Windels begann seine Karriere bei der NORD/LB 1990 in der Abteilung Volkswirtschaft und wechselte anschließend zur niedersächsischen Staatskanzlei als Referent für Wirtschaft, Technologie und Verkehr. 1996 kehrte er zur NORD/LB zurück in die Abteilung Volkswirtschaft, die er seit Juli 2007 als Chefvolkswirt leitet.
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