Themen der Zukunft, wie die Digitalisierung oder die Gründerkultur, wurden im Kontext zur Bundestagswahl 2017 von kaum einer Partei aufgegriffen. Der Mittelstand benötigt dringend Impulse für den Nachwuchs und für das Thema MINT*.
Deutschland, unendliches Wachstum. Wir schreiben das Jahr 2017. Ein Wahljahr, wo Unternehmer mit USB-Sticks per Auto unterwegs sind, um Daten von einem Platz mit schnellem Internet zu übertragen. Wo internetgesteuerte Fertigungsmaschinen stillstehen, weil die Internetverbindung instabil ist. Wo Telekommunikationsunternehmen mit “Top-Angeboten” wie 10 Gigabyte mobiles Datenvolumen für xyz Euro werben. Ein Witz dabei von “Volumen” zu sprechen. Und ja, es gibt auch Angebote mit Flats, die sich jedoch kaum jemand leisten kann.
Ein Land, in dem Scheitern zur sozialen Ausgrenzung führt und eine zweite Chance die Lebenserwartung um 10 Jahre verkürzt, weil es anstrengend ist. Einmal mit “negativen Kriterien” behaftet, ist der Zugang in den Club “Wirtschaft” verwehrt.
Die Politik hat zurzeit wenig konkrete Antworten für den Mittelstand. Der hilft sich – wie immer – selbst. So hat beispielsweise ein großer Bäcker aus Düsseldorf, Roland Schüren, eine “Selbsthilfegruppe” zum Thema Elektroauto gegründet. Interessant in diesem Zusammenhang, das einige Medien schreiben, dass “… immer mehr Autohersteller “auf Elektro” setzen.” Ach ja.
Wahlprogramme zum Mittelstand
Der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. und das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. haben sich jeweils Wahlprogramme zu den Themen Mittelstand angeschaut.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. schreibt: “Dass es der deutschen Wirtschaft gutgeht, ist zum großen Teil den mittelständischen Unternehmen zu verdanken. Deren Wettbewerbsposition ist aber alles andere als gesichert. Was also wollen die Parteien tun, um den Mittelstand zu stärken?”
Die Risiken sind vielfältig – von Donald Trumps protektionistischen Plänen über mögliche Marktzugangsbarrieren nach dem Brexit bis hin zum Fachkräftemangel im Inland. Zudem sinkt die Zahl der für die Zukunft des Mittelstands relevanten Gründungen. Die Zahl der neu gegründeten Betriebe, denen eine größere wirtschaftliche Bedeutung zugeschrieben werden kann, ist seit 2004 um 28 Prozent auf rund 126.000 gesunken.
Gründerkultur – nicht in allen Wahlprogrammen finden sich konkrete Vorschläge:
CDU/CSU wollen bis 2019 einen Masterplan erarbeiten, der über Beratung, Fördermaßnahmen und Bürokratieabbau mehr Menschen den Weg in die Selbstständigkeit ebnet. Die Union plädiert für einen besseren Zugang zu Wagniskapital durch eine steuerliche Förderung von Beteiligungen an Start-ups – dies hätte sie aber schon in der laufenden Legislaturperiode durchsetzen können.
Die SPD will den Einsatz digitaler Technologien im Mittelstand fördern und einen steuerlichen Forschungsbonus einführen. Das Programm „Innovationsmotor Mittelstand“ soll der Fachkräftesicherung dienen und den Mittelstand entlasten – allerdings wird Letzteres nicht konkretisiert. Stattdessen würde die geplante Erhöhung des Spitzensteuersatzes um 3 Prozentpunkte den Mittelstand zusätzlich belasten. Zudem plädiert die SPD für den Bürokratieabbau, fordert aber zugleich mehr Regulierungen – indem sie unter anderem Zeitarbeit und Werkverträge einschränken will.
Die FDP plant, Gründungen online innerhalb eines Tages und mit nur einem Ansprechpartner zu ermöglichen. Die Freien Demokraten wollen Wagniskapital steuerlich besserstellen, indem zum Beispiel Beteiligungsverluste leichter verrechnet werden können. Für Crowdfunding soll es vereinfachte Vorschriften geben. Entlasten will die FDP den Mittelstand unter anderem, indem die Ist-Besteuerung in der Umsatzsteuer ausgeweitet wird und Betriebe die Sozialversicherungsbeiträge wieder nachträglich abführen dürfen. Zudem sollen neue Gesetze systematisch auf ihre möglichen Auswirkungen auf den Mittelstand überprüft werden.
Die Grünen äußern sich nicht speziell zu Gründungen, wollen aber digitale Glasfasernetze und das E-Government ausbauen, was auch mittelständischen Firmen zugutekäme. Eine kommunale Wirtschaftssteuer, die Freiberufler einbezieht, soll die Gewerbesteuer ersetzen.
Die Linke und die AfD schließlich haben wenig bis gar keine Ideen zur Förderung des Mittelstands und der Gründerkultur in petto.
Untersucht wurde vom BITMi, welche Parteien welche Lösungen und Ideen für den digitalen Standort Deutschland sowie möglichst positive Rahmenbedingungen für den deutschen IT-Mittelstand anbieten. Grundlage ist das BITMi Positionspapier Digitaler Mittelstand 2020.
Eine der zentralen BITMi Forderungen wird momentan nur von der FDP unterstützt – die Schaffung eines eigenständigen Digitalministeriums. Alle anderen Parteien erkennen zwar einen dringenden Handlungsbedarf an, sind sich aber teilweise unsicher (Die Linke) oder lehnen ein eigenständiges Digitalministerium ab (CDU).
Das Thema Breitbandausbau wird von allen Parteien als prioritär anerkannt. Zur Gigabit Gesellschaft bis 2020 (BITMi) bekennen sie sich aber nicht, lediglich Grüne und FDP folgen der BITMi Auffassung, dass besondere Maßnahmen wie die Veräußerung von Anteilen des Bundes beispielsweise an Post und Telekom, wichtige Ressourcen in zweistelliger Milliardenhöhe freisetzen könnten, um den Breitbandausbau entschieden zu forcieren.
Die Schaffung einer funktionierenden europäischen Datenökonomie und die Nutzung nicht-personenbezogener Daten sowie die Förderung eines offenen Markts für diese Daten spielen für die meisten Parteien keine Rolle. Lediglich die FDP hat dieses Thema richtigerweise als DAS Wachstumsfeld der Digitalisierung erkannt und verfügt über entsprechende Ideen zur Gestaltung. Die anderen Parteien sehen hier im Schwerpunkt nur eine Datenschutzdebatte.
Spannend wird es in der nächsten Legislaturperiode wohl auch im Bereich Forschungsförderung: Linke und AfD benennen die steuerliche Forschungsförderung weder im Wahlprogramm noch in den Wahlprüfsteinen als Vehikel zur Digitalisierung des Mittelstandes – alle anderen Parteien schon. Damit werden alle wahrscheinlichen Regierungsparteien diesen Punkt auf Ihrer Agenda haben – es bleibt zu hoffen, dass die längst überfällige Umsetzung in dieser Legislaturperiode kommt.
TIPP: Antworten der Parteien auf Sachfragen des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. als pdf-Datei verfügbar.
*MINT = Als MINT-Fächer bezeichnet man die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (z.b. Ingenieurwissenschaften, Fertigung und Bauwesen).
(Quellen/Material: Bundesverband IT-Mittelstand e.V. / Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.)
(Redigieren: Frank Schulz)
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