Die Stärkung der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit für das Ruhrgebiet wird von den NRW-Unternehmen stärker forciert. Ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V. gibt Einblick in die Herausforderung der Destination und des Wirtschaftsstandortes.
Drei Tage vor Weihnachten ist Schluss. Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 21. Dezember 2018 im Bottroper Bergwerk Prosper-Haniel ein Stück Steinkohle in den Händen hält, ist dies der symbolische Akt für das Ende einer Ära. Dann schließt die letzte Zeche im Ruhrgebiet. Und wieder werden sich alle fragen: Wie geht es weiter?
Das Ruhrgebiet ist mit 5,1 Millionen Einwohnern zwar der größte deutsche Ballungsraum, es konnte am Boom der Städte seit dem Jahr 2000 aber nicht teilhaben. Die Liste der Probleme ist lang: In keiner anderen deutschen Metropolregion arbeiten so wenige Frauen – die Quote liegt bei lediglich 48 Prozent, – nirgends ist die Arbeitslosigkeit so hoch, die Infrastruktur so marode und werden so wenige neue Unternehmen gegründet. Die Industrie, einst das Herz der Region, schrumpft weiter.
Ein Grund dafür ist, dass der Strukturwandel von der Schwerindustrie zu Wachstumsbranchen verpasst wurde. Dadurch mangelt es heute an Geld für Investitionen: Die Steuerkraft der Ruhrgebietskommunen ist mit 692 Euro je Einwohner stark unterdurchschnittlich. „Die Städte im Ruhrgebiet können sich viele Investitionen schlichtweg nicht leisten und fallen daher weiter zurück“, erklärt IW-Wissenschaftler Klaus-Heiner Röhl. Das schwächt auch den Forschungsstandort. Im Ruhrgebiet arbeiten nur knapp 3,5 von 1.000 Beschäftigten im Bereich Forschung und Entwicklung, weniger als halb so viele wie im Bundesdurchschnitt. „Die Mischung aus schlechter Infrastruktur, Problemen in der Bildung und fehlendem Geld ist fatal“, sagt Röhl.
Wirtschaftsleistung je Einwohner: Das Ruhrgebiet ist mit einem Wert von gut 32.000 Euro je Einwohner auf dem letzten Platz hinter der Hauptstadtregion, doch die Entwicklung seit dem Jahr 2000 fällt mit plus 40 Prozent nicht schlecht aus: Vielmehr nimmt die „Metropole Ruhr“ hier nach Stuttgart Platz zwei ein. Die ungünstige Bevölkerungsentwicklung hat also die ebenfalls verhaltene Wirtschaftsentwicklung mehr als kompensiert, wenn man die Pro-Kopf-Werte betrachtet.
Ruhrgebiet – Metropole Ruhr
Der Anspruch, dass der größte urbane Ballungsraum Deutschlands eine Metropole Ruhr bildet, ist jedoch faktisch nur sehr eingeschränkt unterlegt. Der Regionalverband Ruhr und damit das Ruhrgebiet bilden keine politische Einheit, die konsistente wirtschaftspolitische Entscheidungen fällen könnte. Nicht nur besteht es weiterhin aus 15 eigenständigen Kreisen, diese verteilen sich auch noch auf die drei Regierungsbezirke Düsseldorf, Arnsberg und Münster. Insgesamt gibt es im Ruhrgebiet 53 selbstständige Städte und Kommunen. Eine verwaltungspolitische Unterfütterung des Anspruchs, eine „Metropole Ruhr“ zu bilden, würde landesseitig eigentlich die Schaffung eines Regierungsbezirks Ruhrgebiet oder einer vergleichbaren Verwaltungseinheit nahelegen. Da eine derartige Neuordnung der Verwaltungsgebiete kaum möglich erscheint, bleibt alternativ eine Stärkung des Regionalverbands. Die damalige Landesregierung hat 2014 eine Aufwertung des RVR in die Wege geleitet, die allerdings erst mit der Direktwahl der Mitglieder der Verbandsversammlung als „Ruhrparlament“ 2020 vollständig umgesetzt sein wird.
Als die drei Indikatoren mit dem größten Einfluss auf die Position im IW-Regionalranking haben sich dabei die gemeindliche Steuerkraft, die private Überschuldung gemessen anhand des Anteils der überschuldeten Privatpersonen sowie die Beschäftigungsrate von Frauen, die den Bereich Arbeitsmarkt stark bestimmt, herausgestellt. Tabelle 3-1 gibt die Rangplätze der Ruhrgebietskreise im IW-Regionalranking wieder. Die durchschnittliche Platzierung im Niveauranking liegt für die 15 Ruhrgebietskreise bei 366; Gelsenkirchen nimmt den letzten Platz ein. Im Dynamikranking liegt die Durchschnittsplatzierung bei 303. Damit fallen die Ruhrgebietskreise durchschnittlich weiter zurück, denn im Niveauranking müsste der Durchschnittswert von 200 überschritten werden, um eine Verbesserung der Position anzuzeigen. Dies gelingt nur Bottrop sowie den Landkreisen Wesel und Unna.
Potenziale in der Destination Ruhrgebiet
Entscheidend für die Zukunft ist, dass sich Bund und Land ihrer Verantwortung für den Raum zwischen Rhein und Ruhr bewusst werden und in der Region gezielt investieren. Konkret heißt das: Mehr Geld für die marode Infrastruktur und eine Neuausrichtung der Regionalpolitik zugunsten der schwächeren Regionen in Westdeutschland. Doch auch die Kommunen müssen umdenken und vor allem mehr Gewerbeflächen schaffen, um Unternehmen anzulocken.
Denn es gibt auch Aspekte, die Hoffnung machen: Das Ruhrgebiet ist vergleichsweise jung, die ungünstige demografische Entwicklung konnte zuletzt gestoppt werden und der Fachkräfteengpass ist weniger ausgeprägt als in anderen Regionen Deutschlands. Zudem ist die Hochschullandschaft konsequent ausgebaut worden. Vor allem aber schneiden die Städte und Gemeinden an der Ruhr bei der Digitalisierung vergleichsweise gut ab: Rund 85 Prozent der dortigen Haushalte haben einen Breitbandanschluss. Deutschlandweit sind es nur 76 Prozent. „Das Ruhrgebiet kann eine wirtschaftliche Renaissance erleben, wenn gezielt umgesteuert wird“, erklärt Röhl. Gerade ein stärkeres Zusammenspiel aus Unternehmen, Hochschulen und der Politik könnte wichtige Impulse setzen.
(Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.)
(Artikelbild: © Deutsches Bergbau-Museum Bochum)
Comments are closed.