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Innovationsstandort Deutschland: EU Sprungbrett für ausländische Investoren

Ausländische Investoren profitieren nicht nur von einem Logistikweltmeister Deutschland. Aufgrund zentraler Verkehrswege, gut ausgebildetem Personal und den stabilen sozialen Strukturen investieren globale Unternehmen immer mehr in deutsche Niederlassungen.

Deutsche Industrieunternehmen stehen immer stärker im Fokus ausländischer Wettbewerber, die in Europa investieren wollen. Dabei geht es den Investoren nicht nur um (teure) Übernahmen, sie investieren auch Milliardensummen in den Standort. IBM etwa siedelte in München seinen Supercomputer Watson an; 1.000 Entwickler, Programmierer und Designer arbeiten und forschen dort am „Internet der Dinge“. 2,75 Milliarden Euro will der amerikanische IT-Konzern in der bayerischen Metropole ausgeben – seit 20 Jahren hat IBM kein so großes Projekt mehr in Europa gestemmt. Japans Mischkonzern Mitsubishi Electric wiederum eröffnete im März seine Deutschland-Zentrale in Ratingen bei Düsseldorf. Auf mehr als 16.000 Quadratmetern arbeiten 750 Angestellte.

IBM und Mitsubishi stehen für einen Trend: Ausländische Unternehmen errichten hierzulande Betriebe, Werkshallen und Zentralen – und verschaffen sich so Zugang zum deutschen und europäischen Markt. Daten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zufolge investierten ausländische Firmen im vergangenen Jahr hierzulande in 946 Projekte – neun Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2014. Dabei entstanden mehr als 17.000 neue Arbeitsplätze. Größter Investor in Deutschland sind US-Unternehmen mit 192 Projekten im vergangenen Jahr, gefolgt von der Schweiz (99) und China (74).


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Fast sieben von zehn Firmenmanagern (69 Prozent) nannten in einer EY-Umfrage (Ernst & Young GmbH) unter 735 internationalen Unternehmen Deutschland als einen von drei Top-Investitionsstandorten in Europa. Großbritannien (43 Prozent) und Frankreich (36 Prozent) folgen mit deutlichem Abstand. Dass Großbritannien als einziges Land mit 1.065 Projekten dennoch 2015 mehr Investitionen anzog als Deutschland, verdankt das Land seiner traditionell großen kulturellen und sprachlichen Nähe zu den USA – dem mit Abstand größten Investor in Deutschland und Gesamt-Europa. Zieht es amerikanische Unternehmen nach Europa, dient Großbritannien als „Brückenkopf“ für Europa.

Standort Deutschland – stabile Rahmenbedingungen für ausländische Investoren

Deutschland punktet mit seinem großen Markt, stabilen Rahmenbedingungen und seiner guten Binnenkonjunktur, urteilt die für die Bundesrepublik Deutschland zuständige Gesellschaft für Standortmarketing Germany Trade & Invest. Die zentrale Lage mache den Standort attraktiv, weil von hier aus dank eines relativ gut ausgebauten Straßen- und Schienennetzes der gesamte europäische Markt gut erreicht werde. Das bestätigen internationale Vergleichsstudien: Die Weltbank kürte in ihrem „Logistics Performance Index“ Deutschland in den vergangenen Jahren mehrfach zum Logistikweltmeister.


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Auch die weiteren Aussichten erscheinen gut: Fast jeder zweite befragte internationale Konzernmanager (46 Prozent) rechnet damit, dass Deutschland seine Attraktivität steigern wird. Nur jeder zehnte geht von einer Verschlechterung aus. Gleichzeitig sinkt der Anteil der ausländischen Firmen, die Deutschland verlassen wollen, auf den tiefsten Stand seit Beginn der Befragung 2005. Nur acht Prozent planen eine Verlagerung in ein anderes Land.

Nachteile des Standorts Deutschland

Doch es gibt auch Schattenseiten. Weniger gut schneidet Deutschland bei den Kosten und in puncto Flexibilität ab. Nur 37 Prozent der Unternehmensmanager bewerten die Personal- und Arbeitskosten in Deutschland als attraktiv – ein Rückgang um 13 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Dasselbe gilt für die Zustimmung zur Flexibilität des Arbeitsrechts (minus 13 Prozentpunkte) und zur Unternehmensbesteuerung (minus elf Prozentpunkte).

Diese negative Einschätzung wird von anderen Studien geteilt: So identifizierte der jüngste Global Competitiveness Report der Weltbank die Komplexität der Steuergesetzgebung, die Höhe der Steuern sowie restriktive arbeitsrechtliche Bestimmungen hierzulande als wesentliche Problemfaktoren hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere die Lohnnebenkosten erscheinen im internationalen Vergleich hoch. Laut der OECD-Studie „Taxing Wages 2015“ entfielen bei einem Einpersonenhaushalt mit durchschnittlichem Einkommen von 100 Euro Bruttoarbeitskosten 49,30 Euro auf Steuer- und Sozialabgaben, während 50,70 Euro beim Arbeitnehmer ankamen.

Hohe Lohnstückkosten

Das Institut für Wirtschaft Köln (IW) haut in die gleiche Kerbe: Im Verarbeitenden Gewerbe, dessen Erzeugnisse mehr als 80 Prozent der deutschen Exporte ausmachen, seien die Lohnstückkosten – also die Arbeitskosten im Verhältnis zur Produktivität – dem IW zufolge in Deutschland deutlich höher als in den meisten anderen Industrieländern: Im Durchschnitt produziere die ausländische Konkurrenz zu Lohnstückkosten, die um 11 Prozent unter dem deutschen Niveau liegen.

Lediglich in fünf Industrieländern seien die Kosten höher als in Deutschland. Wichtige Konkurrenten fertigen dagegen wesentlich billiger, die USA zum Beispiel haben gegenüber der deutschen Industrie einen Kostenvorteil von 25 Prozent. Diese Zahlen zeigen auch, dass die sehr hohen deutschen Arbeitskosten nicht durch eine entsprechende Produktivität ausgeglichen werden – dazu sei der Vorsprung bei der Wertschöpfung je Arbeitsstunde gegenüber der Konkurrenz mit 12 Prozent zu gering.

Die deutsche Industrie habe in den vergangenen Jahren zudem keineswegs die Lohnstückkosten gedrückt, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zulasten der Konkurrenz zu erhöhen: Von 1991 bis 2014 seien die industriellen Lohnstückkosten in Deutschland um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr gestiegen – im Ausland dagegen um 0,1 Prozent gesunken. Vor allem in Japan, Schweden, den USA und Finnland haben sich die Arbeitskosten je Produkteinheit deutlich verringert. Nur von 1999 bis 2007 war Deutschland tatsächlich kostenbewusster als die Konkurrenz. Seit 2011 seien die deutschen Lohnstückkosten aber aufgrund der schwachen Produktivität und der hohen Lohnsteigerungen wieder überdurchschnittlich stark gestiegen.


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Deutsche Unternehmen zieht es ins Ausland

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es auch Kostengründe sind, die deutsche Unternehmen dazu veranlassen, ihrerseits im Ausland zu investieren. Die aktuelle Umfrage „Auslandsinvestitionen in der Industrie“, die der DIHK Ende April 2016 vorlegte, zeigt, dass das Kostenmotiv das dritte Jahr in Folge gestiegen ist. Rund ein Viertel der Investoren gehe aus diesem Grund ins Ausland – vor drei Jahren war es nur jeder fünfte, so der DIHK. Entsprechend würden Auslandsinvestitionen wieder zulasten des Inlands vorgenommen.

Der Studie zufolge, die auf den Antworten von rund 2.500 Betrieben beruht, wollen 47 Prozent der deutschen Industriebetriebe 2016 jenseits der Grenzen investieren. Damit verharre die Quote auf dem bereits 2015 erreichten Rekordstand seit dem Start der Erhebungen im Jahr 1995. Insgesamt bleiben die deutschen Industrieunternehmen global äußerst aktiv. Ihre Auslandsinvestitionen entwickeln sich auch 2016 dynamischer als die inländischen. Die dafür eingesetzten Budgets steigen sogar leicht gegenüber 2015, so der DIHK.

Europa gewinnt an Attraktivität

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Europa gewinnt als Zielregion weiter an Bedeutung. Fast drei Viertel der Unternehmen, die 2016 im Ausland investieren wollten, setzten auf andere EU-Standorte – so viele wie nie seit der Finanzkrise. Die Ursache hierfür sieht der DIHK in der in den letzten Jahren gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit vieler EU-Länder und in der enormen Bedeutung des EU-Binnenmarktes für die deutsche Wirtschaft. Vor dem Hintergrund, dass sich diese Märkte in der Regel auch von Deutschland aus beliefern ließen, dominierten bei den Auslandsinvestitionen die Aspekte Vertrieb und Service.

Unter den Zielregionen hält der langjährige Spitzenreiter China 2016 zumindest Platz zwei. Allerdings ist die Volksrepublik nur noch für 37 Prozent der im Ausland investierenden Unternehmen eine Zielregion – 2015 galt das noch für 45 Prozent. Die Verlangsamung des Wachstums, Überkapazitäten, Börsenturbulenzen, die Angst vor dem Platzen einer Immobilienblase und Umweltprobleme hinterlassen Spuren, so der DIHK. Europa schließe damit die Lücke, die China öffnet.

Mehr Arbeitsplätze

Insgesamt profitiere der Standort Deutschland bislang von den Auslandsinvestitionen. Der DIHK rechnet in diesem Jahr mit 15.000 zusätzlichen Industriearbeitsplätzen im Inland, die dadurch entstehen, dass die Betriebe durch Auslandsinvestitionen ihre Position auf dem Weltmarkt stärken. Weltweit bringen die deutschen Auslandsinvestitionen sogar ein Plus von 200.000 Arbeitsplätzen, sodass dort am Jahresende erstmals mehr als 7,2 Millionen Beschäftigte in deutschen Unternehmen arbeiten.

(Quellen: Bankenverband schul|bank 5/2016 / Ernst & Young GmbH – Standort Deutschland – T h e E Y A  t  t r a  c t i v  e  n  e  s  s   S  u  r  v  e  y)

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